Mühlen
Mühlen gehörten im Mittelalter zum festen Bestandteil
eines jeden Dorfes. In Heiligenrode sind mindestens zwei Mühlen überliefert,
die Obere Mühle und die Niedere Mühle. Namen wie Müller, Hammermüller, Mühlhof
oder Austermühl zeugen noch heute von den Berufsbildern der Vorfahren.
Die klemmE'sche Mühle
„Im Loche“ befindet sich die Klemme’sche Mühle - damals Obere Mühle genannt. Erstmals erwähnt wird sie in einer Urkunde von 1366 über Abgaben an das Kloster Ahnaberg am Wesertor.
"Johannes Crone, Kaplan in der Altstadt Kassel (Cassel), vermacht um der Freundschaft willen, die ihm Probst und Jungfrauen zu Ahneberg (Aneberge) getan haben, dem Probste seine 3 Mühlen an der Nieste (Nyeste): die Mühle zu Sandershausen (Sandirshusen), die niederste Mühle zu Heiligenrode (Heilgenrade) und die oberste Mühle, die zur Zeit Wymar inne hat, aus der 1 Malter Roggen weniger ½ Limeß und ½ Limeß des besten dort wachsenden Obstes fallen, ferner aus dem Crummenhof, den Junemann der Junge inne hat, eine jährliche Rente zu Martini von 3 Schillingen und 5 hessischen Pfennigen.“
Die Mühle Klemme mit Fahrzeug an der Verladerampe, dem Verkaufsraum und dem Anbau, Anfang des 20. Jahrhunderts.
@Gemeinde Niestetal
Die
Klemme’sche Mühle liegt am nordöstlichen Ortsausgang von Heiligenrode an der
Straße nach Uschlag (Niestetalstraße), die wiederum erst um 1900 vor das
Mühlengebäude gelegt wurde und vormals an anderer Stelle verlief. Die Mühle lag
mit der Paul‘schen Mühle an einem Wassergraben (Betriebsgraben). Das zum
Betrieb erforderliche Wasser wurde der Nieste (früher Nyeste) entnommen. Der Antrieb der Mühle (des Mahlwerkes) erfolgte zunächst durch einen oberhalb einströmenden Wasserlauf, der das
Mühlrad drehte. Seit etwa 1943 wurde das Werk durch zwei Turbinen ersetzt. Die
nutzbare Kraft hat ungefähr 12 PS pro Turbine betragen. Betrieben wurden zwei
Walzenstühle, zwei Mahlgänge, eine Dresch-maschine und eine Kreissäge.
An der Einmündung zurück in die Nieste (Ableitungsstelle) liegt ein Überfallwehr von rund 12 m Breite. Der obere Graben ist rund 250 m und der untere Graben etwa 260 m lang. Die Gräben sind inzwischen zugeschüttet und bilden u.a. den Privatweg gegenüber des alten Sportplatzes. Im ehemaligen Anbau / Scheune, einem jetzigen Wohnhaus, sind heute noch die zwei alten Stromturbinen im Keller zu finden. Der eigentliche Mühlbetrieb wurde in den 1960er Jahren eingestellt.
Das heute existente zweigeschossige Fachwerkgebäude mit breit gelagertem Zwerchhaus wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts auf einem Sandsteinsockel errichtet. Das zweifach verriegelte Eichenfachwerkgefüge wird durch nach innen geneigte Langstreben an Bund- und Eckständern ausgesteift. Das Gebäude ist Kulturdenkmal aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung als eine der ehemaligen Mühlen von Heiligenrode.
von der oberen Mühle zur gastwirtschaft
Müllermeister H. Wilhelm Klemme, geb. 1855, aus Hombressen
heiratete 1881 Caroline, die neunzehnjährige Tochter des Heiligenröder
Müllermeisters Friedrich Teuteberg. Er erweiterte das Anwesen mit
Pferdeställen, einer Wohnung für den Müllerknecht und Böden für Korn und Heu
im ersten Stock. Er wird zum Begründer der Müller- und Bäckerdynastie Klemme in
Heiligenrode. Die Geschäfte gingen gut und die Räumlichkeiten genügten den
Ansprüchen bald nicht mehr. Ein Neubau entstand gegenüber der Mühle, jenseits
des damals noch privaten Weges, der durch das Grundstück verlief. Zusätzlich kam "Schürmanns
Garten", ca. 4 Morgen groß (ca. 1 Hektar), hinzu. Hier errichtete der Müllermeister zu
Beginn des neuen Jahrhunderts eine Gastwirtschaft (heutiges Restaurant „Zum
Niestetal“). Anfangs bewirtschaftete er das Lokal noch selbst, doch etwa um
1906 wurde das Lokal verkauft. Zum Bau der Wirtschaft könnte der Gedanke
geführt haben, dass sich die Müllerkunden die Wartezeit mit einem schönen Bier
verkürzen könnten, anstatt in der Mühle im Weg herumzustehen und den Betrieb zu
stören. Zum Abgeben der Gastwirtschaft dürfte auch die neu angelegte
Niestetalstraße, die mitten durch das Mühlengrundstück verlegt worden war,
beigetragen haben. Der gesamte Verkehr nach Uschlag und teilweise auch nach Nieste
nahm nun seinen Weg an der Mühle vorbei. Sein Sohn Fritz Klemme, geb. 1882,
übernahm 1905 den Mühlenbetrieb, der ihn 1954 an Willi Klemme weitergab. Dessen Söhne Werner und Helmut Klemme übernahmen 1972. Die 1967 errichtete Großbäckerei wurde schließlich, zusammen mit dem restlichen Betrieb, verkauft.
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Luftaufnahme der Mühle Klemme vor dem Bau der Großbäckerei / Magazinhof, später Barilla/ Apel. Das Mühlengebäude befindet sich heute in Privatbesitz. Im Hintergrund verläuft der mittlerweile zugeschüttete Mühlengraben, daneben befindet sich seit 1952 der neue Sportplatz. @Gemeinde Niestetal
Die PAul'sche Mühle
Die sogenannte Paul‘sche Mühle oder auch „Pauls Mähle“ genannt (Mühle der Familie Paul) liegt etwas unterhalb der Klemme’schen Mühle (Mühle der Familie Klemme) und wurde Niedere Mühle genannt. Der Antrieb der Mühle (des Werkes) erfolgte auch hier zunächst durch einen oberhalb einströmenden Wasserlauf, der das Mühlrad drehte. Seit etwa 1908 wurde das Werk hier ebenfalls durch zwei leistungsstärkere Turbinen ersetzt. Die nutzbare Kraft hat etwa 3 - 7 PS betragen. Betrieben wurde eine Mahlmühle bis etwa 1932 / 33, danach wurde nur noch geschrotet. Noch bis in die 1950er Jahre hinein wurde die Mühle zum Antrieb einer Kreissäge genutzt.
Das Mühlengebäude steht heute noch an der Kasseler Straße 40. Vor dem Eingang zum Grundstück ist noch ein alter Mühlstein aufgestellt, der an das alte Handwerk erinnert. @Gemeinde Niestetal
Nach dem letzten großen Hochwasser im Juli 1965 wurde der Lauf der Nieste reguliert und der Mühlgraben zugeschüttet.
N' Anekdötchen
Mitte bis Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Klemme'sche Mühle von zwei Generationen der Familie Althans geführt. Im 18. Jahrhundert lässt die Mühle drei Generationen von Brückmanns zu Müllern werden. Der Müller Carl Fey aus Reichensachsen heiratete Ende des 18. Jahrhunderts die Witwe des Müllers Brückmann und wurde auf diese Weise neuer Mühlenbesitzer in Heiligenrode. Neben dem Mühlenbetrieb bearbeitete er noch 2 ½ Acker Gartenland, das sich längs des Mühlenberges erstreckt und an das Feld „Brunstein Hof“ angrenzt. Da es Kirchenland war, waren zwei Albus in die Kirchengasse zu zahlen. Gegenüber der Mühle hatte er noch ¼ Acker, wofür er der Kirche zwei Heller jährlich schuldig war. 1810 starb er im Alter von 52 Jahren. Zum Vergleich kann angeführt werden, dass die Müller vor ihm 44, 46, 54, 46 und 49 Jahre alt geworden waren. Sein Sohn, Müller Johann Christoph Fey, wurde jedoch 76 Jahre alt. Bis 1830 hatten die Müller nur das Nutzungsrecht an den Mühlen, anfangs als Leihe auf Zeit, später als Erbleihe. Danach wurden sie Eigentümer mit allen Rechten und Pflichten. Die Arbeit wird damit nicht weniger geworden sein, wenn auch zunehmend technische Hilfsmittel Erleichterung brachten.
Neben dem Mühlenbetrieb bearbeitete der Müllermeister Carl Fey um 1800 noch 2,5 Acker Gartenland und zusätzlich 1/4 Acker Grabeland. Trotz des guten Auskommen hatte er jedoch Probleme mit dem Alkohol, was ihn finanziell belastete. Pfarrer Cöster sorgte sich um den guten Ruf des Müllermeisters und machte eines Sonntags einen Besuch in der Mühle. Die beiden führten ein Gespräch „unter vier Augen“, bei dem Meister Fey zugab, dass er kaum etwas vertragen und der Branntwein ihm schnell zu Kopf steige. Pfarrer Cöster riet ihm, das abscheuliche Getränk doch ganz zu meiden. Ob er den Rat, den Alkohol zu meiden, künftig beherzigt hat, ist nicht überliefert.
Einige kleine Auseinandersetzungen und „Sticheleien“ zwischen den Müllern im Niestetal hingegen schon. Um 1650 wurde die zweite Mühle (die Paul'sche Mühle) erbaut. Der Müllermeister der bestehenden Mühle (Klemme'sche Mühle) versuchte dies zu unterbinden und bot deshalb an, das dreifache seiner Steuerabgaben zu leisten. Das Angebot kam jedoch zu spät, die herrschaftliche Bewilligung des Vorhabens (Consens) wurde bereits erteilt. 1846 beschwerte sich wiederum Müller Johannes Süß zu Sandershausen über den Müller Eckhard zu Heiligenrode wegen ordnungswidrigen Mühlenbetriebes. Etwas später beklagte sich Müller Friedrich Teuteberg über die Störung des Mühlenbetriebs und die unerlaubte Entnahme von Niestewasser durch die Stadt Kassel.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Aufzeichnungen von Beschwerden oder über gerichtliche Auseinandersetzungen mit Anwohnern oder unter den Mühlenbesitzern. Hier ein Auszug:
- 1788 Genehmigung der Anlage und des Betriebes einer Roßmühle auf dem von Schlieffen’schen Gut zu Windhausen
- 1842 Gesuch des Müllers Paul zu Heiligenrode wegen Verlegung seines Mühlgrabens
- 1843 Anlage einer Ölmühle an der Nieste durch den Kramer und Zimmermann Heinrich Eckhardt zu Heiligenrode sowie Gesuch des Eckhardt um Genehmigung zur Anlage eines Mahlganges in der Mühle
-
1869
Beschwerde von der Witwe des Rittergutsbesitzers August Ernst, Marie geb. Ernst
zu Braunschweig gegen den Mühlenbesitzer Teuteberg zu Heiligenrode um die
Anerkennung einer Stau- und Wässerungsgerechtssame für einige Wiesen des Gutes
Ellenbach an der Nieste